Phasen an den Märkten & wichtigste Einflussfaktoren

Was bestimmt das Auf und Ab an der Börse?    

Die Börse ist kompliziert und wird von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst. Die Faktoren können jeweils für sich genommen Effekte auf die Kurse haben, sich gar gegenseitig verstärken oder aber auch neutralisieren.

Einflussfaktoren können zum Beispiel aus folgenden Bereichen kommen:

  • Makroökonomischer Zyklus
  • Unternehmensgewinne
  • Geopolitische Spannungen
  • Staatliche Regulation
  • Globale Pandemien
  • Psychologie der Massen

Im März 2020 haben wir gesehen, wie die globale Corona-Pandemie einen Crash ausgelöst hat. Die Unsicherheit bezüglich der Auswirkung für Unternehmen und die Bevölkerung hat die Kurse auf Talfahrt geschickt. Als sich jedoch immer mehr gezeigt hat, dass die Pandemie durch Hygiene-Maßnahmen, Lockdowns und einen Impfstoff kontrollierbar wurde, gab es eine schnelle Erholung der Märkte, sogar weit über das Niveau vor Corona hinaus.

Ein wesentlicher Treiber waren auch die Hilfsprogramme der Staaten, die mit Unterstützungsleistungen für Unternehmen und Arbeitnehmer eine Starthilfe gegeben haben.

Wir sehen allein in diesem Beispiel, dass mehrere Faktoren zusammengekommen sind und insgesamt einen zuerst negativen und dann einen positiven Effekt auf die Börse hatten. Es ist sehr schwer alle Faktoren im Blick zu haben und insgesamt richtig zu bewerten, ob die Marktstimmung positiv oder negativ sein wird.

Wenn du dich an Ray Dalio hältst, sind aber vor allem drei Faktoren für die Konjunktur entscheidend:

  • Produktivitätswachstum
  • kurzfristiger Schuldenzyklus
  • langfristiger Schuldenzyklus.

Er hat ein sehr informatives Video herausgegeben, indem er grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge erklärt. Es heißt „How the Economic Machine Works“ und wurde in viele Sprachen übersetzt.

Wir nehmen uns, wie viele andere Marktbeobachter und Profi-Investoren wie z.B. Chamath Palihapitiya, zwei andere Treiber heraus:

  • Zinsen (bzw. Leitzinsen)
  • Inflation

Die Leitzinsen werden von den Zentralbanken bestimmt, die die Aufgabe haben Preisstabilität über einen langen Zeitraum hinweg zu gewährleisten.

Mit den Leitzinsen haben die Zentralbanken einen Stellhebel, der die Konjunktur stark beeinflussen kann. Durch hohe Zinsen wird die Kreditaufnahme für Unternehmen und Privatpersonen teurer und die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen und auch der Appetit in neue Projekte zu investieren gehen zurück.

Die Inflation ist unter anderem das Ergebnis der Zinspolitik, denn durch sinkende Nachfrage gehen die Preisniveaus zurück bzw. steigen weniger stark. Die Konjunktur mitsamt der Inflation braucht allerdings eine gewisse Zeit, um sich beispielsweise auf Zinsänderungen einzustellen.

Leitzinsen und Inflation haben direkten Einfluss auf die Kapitalmärkte haben und sind zwei sehr gute Indikatoren für Marktphasen an der Börse.

In der folgenden Grafik findest du eine Übersicht über verschiedene Marktphasen basierend auf Inflation und Zinsen.

Diese Sicht ist stark vereinfacht. In der Realität gibt es viele weitere Einflussfaktoren für die Marktentwicklungen.

Sondereffekte wie die angesprochene Corona-Pandemie sind meist sehr individuell und haben oft nur auf einen Teil der Wirtschaft Auswirkungen, manchmal aber auch auf den Gesamtmarkt.

In Krisensituationen gibt es aber auch immer Gewinner und Verlierer, auch in Bezug auf die Anlageklassen. In der Corona-Krise waren Aktien der Technologie- und insbesondere eCommerce-Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen die großen Gewinner. Hingegen sind Aktien von Fluggesellschaften und Reiseunternehmen ziemlich unter die Räder gekommen. In Krisenzeiten ist viel Geschick gefragt, wenn man die speziellen Auswirkungen für die Zukunft in einem Sektor schnell erkennen und daraus Kapital schlagen möchte.

Durch ein ausgewogenes Portfolio kannst du die verschiedenen Marktentwicklungen inklusive möglicher Turbulenzen gut abdecken und bist auf Veränderungen der Bedingungen, insbesondere des Zinsumfeldes und der Inflation, gut vorbereitet.

Wenn dein Portfolio die aktuelle Marktphase und auch die anderen potenziell eintretenden Phasen abdeckt, kannst du vielleicht eine Outperformance erreichen. Du hierfür auch ein Teil deines Portfolios flexibel halten und je nach erwarteter Veränderung ausrichten. Achtung: hier sind wir aber schon nicht mehr im passiven Investieren, sondern bringen einen aktiven Anteil mit hinein.

Zum Aufbau eines Portfolios, das die aktuellen und kommenden Marktphasen berücksichtigt, sind folgende zwei Fragen wichtig:

  1. Welche Anlageklassen und welche Einzelwerte performen in welchem Marktphasen?
  2. Wie sehe ich die Eintrittswahrscheinlichkeit für die Marktphasen in den nächsten 5-10 Jahren?

Welche Anlageklassen und Werte performen in welchen Marktphasen?

Um ein Portfolio aufzubauen, das die Marktphasen bestmöglich reflektiert, musst du natürlich wissen, wie welche Anlageklassen in den unterschiedlichsten Phasen performen.

Wir orientieren und an den beiden Faktoren Zinsen und Inflation und schauen uns jetzt die verschiedenen Felder an.

Beachte bitte, dass es bei der nachfolgenden Einordnung um eine Tendenz geht. Durch Krisen, andere Sondereffekte oder spezielle Gegebenheiten kann es hier zu deutlichen Verschiebungen kommen.

Mit dem Bewusstsein über die aktuelle und kommenden Marktphasen kannst du deinem Portfolio eine Prise Salz hinzugeben und es in die ein oder andere Richtung anpassen. Allerdings solltest du ein Beta-Portfolio nicht komplett danach ausrichten. Per Definition ist die Ausrichtung nach Marktphasen als Markt-Timing zu sehen und gehört zum aktiven Investieren.

Los geht’s jetzt mit einem Blick auf die Marktphasen, beginnend mit Phase 1…

Marktphase 1: Zinsen hoch, geringe Inflation

In einer Phase mit hohen Zinsen und geringer Inflation sind vor allem die Anlageklassen interessant, die einen festen Zins abwerfen. Dies sind z.B. Anleihen oder andere Schuldpapiere.

P2P-Kredite haben in der letzten Dekade eine große Beliebtheit erlangt und Plattformen wie Bondora, Mintos und Estateguru sind sehr erfolgreich geworden.

In Marktphase 1 können Unternehmen, die mit viel Fremdkapital arbeiten, Probleme bekommen, da die hohen Finanzierungskosten auf das Ergebnis drücken.

In dieser Marktphase kann auch eine wirtschaftliche Stagnation vorliegen. Wenn sich die Situation in eine Krise zuspitzt oder ein Sonderereignis auftritt, kann hierauf eine expansivere Geldpolitik folgen.

Dies bringt uns zu Marktphase 2…

Marktphase 2: Zinsen gering, Inflation gering

Eine expansive Geldpolitik, aus welchem Anlass auch immer, bringt die Zinsen runter. In den letzten 15 Jahren haben wir durch die Finanzkrise 2008/09, die europäische Schuldenkrise 2012/13 und die Corona-Krise 2020/21 mehr als ein Jahrzehnt an konsequent expansiver Geldpolitik gesehen.

Durch die niedrigen Zinsen wird die Wirtschaft angekurbelt. Dies hat in Phase 2 allerdings noch nicht zu erhöhter Inflation geführt. Dadurch ist weiterer Spielraum für expansive Politik vorhanden.

In Phase 2 kämpfen Investoren nicht gegen einen Kaufkraftverlust an, sondern können die günstigen Finanzierungskosten nutzen, um sich zu verschulden und hierdurch den Vermögens- oder Unternehmensaufbau noch stärker voranzutreiben. Wer vorher schon eine exzellente Bonität hatte und über ausreichend Rücklagen zur Besicherung von Krediten verfügt, kann in dieser Phase Quantensprünge machen.

In dieser Marktphase sind Immobilien sehr beliebt, insbesondere wenn sich die Kaufpreise durch die günstigen Finanzierungskosten noch nicht allzu stark gestiegen sind.

Auch Aktien und Krypto erfreuen sich großer Beliebtheit.  

Durch die geringe Inflation ist der Druck aus den Fiat-Währungen herauszugehen und in alternative werterhaltende Anlagen wie Gold oder Rohstoffe zu investieren deutlich geringer.

Wie wir zuletzt gesehen haben, kann Phase 2 irgendwann dazu führen, dass die Inflation steigt. Das wäre Phase 3…

 

Marktphase 3: Zinsen gering, Inflation hoch

In dieser Marktphase sind Investments, die die niedrigen Zinsen ausnutzen, im Vorteil. Hierzu zählen Aktien, besonders jene von Unternehmen, die mit viel Fremdkapital arbeiten und durch Inflation steigenden Einkaufspreise für Rohstoffe und Vorleistungen an ihre Kunden weitergeben können. Dies könnten z.B. Lebensmittelfirmen oder Mineralölunternehmen sein, oder aber auch Aktien, die nicht so stark von Inflation bei Rohstoffen oder Konsumgütern betroffen sind (z.B. Software-Firmen).

Immobilien, Rohstoffe, Edelmetalle und Kryptowährungen sind beliebte Anlagen, da sie eine Alternative zu den Fiat-Währungen bieten, die durch Inflation eine Abwertung erfahren. Allerdings hat der Krypto-Sektor sich bisher nicht wirklich als Gegengewicht gegen Inflation gezeigt, sondern war eher ein High Risk Investment, das zuletzt stark mit Tech-Aktien korrelierte.

Anlageklassen, bei denen es eine Verzinsung aus Schuldpapieren gibt, wie z.B. Anleihen oder auch Fest- oder Tagesgeldkonten werfen eine sehr geringe und real meist negative Rendite ab.

Generell hat ein Niedrigzinsniveau eine treibende Wirkung auf Inflation, weil durch geringe Zinsen mehr Fremdkapital aufgenommen wird. Hierdurch und durch weitere Konjunkturprogramme der Staaten erhöht sich die Geldmenge und meist auch Nachfrage. Bei gleichem Angebot muss nun mehr für die Waren bezahlen werden.

 

Marktphase 4: Zinsen hoch, Inflation hoch

Viele Portfolios performen in einer Marktphase mit hohen Zinsen und hoher Inflation schlecht. Diese Zeiten sind oft wirtschaftliche Krisenzeiten.

Anlagen in gewöhnliche Anleihen oder Tagesgeld sind wegen des geringen effektiven Zinses (Zinsertrag minus Inflation) nicht sonderlich attraktiv.

Eine Alternative sind hier inflationsgeschützte Anleihen (TIPS-Anleihen). Hierbei verleihst du beispielsweise 1.000€ an den Staat, bekommst über die Laufzeit die fest vereinbarten Zinsen und bei Rückzahlung die 1.000€ wieder, aber plus/minus eines Ausgleichsbetrages für Inflation oder Deflation. Jenseits der TIPS ist es schwierig Geld profitabel in Schuldenpapiere anzulegen.

In Zeiten hoher Inflation performen auch Immobilien oder manche Aktien, allerdings ergeben sich durch hohe Zinsen hohe Kosten für Kreditfinanzierungen von Immobilien.

In dieser Phase mit hohen Zinsen können ggfs. Immobilien durch Zahlungsausfälle aufgrund der hohen Zinsbelastung mit viel Eigenkapital aufgekauft werden.

Bei Aktien sind besonders jene stark, die mit wenig Fremdkapital auskommen, also beispielsweise die großen Tech-Werte wie Amazon, Google, Apple oder Microsoft. Sie haben eine verhältnismäßig geringe Verschuldung und insbesondere bei Software-Unternehmen braucht man durch das wenig kapitalintensive Geschäftsmodell keine großartigen Kosten durchfinanzieren und auf den Kunden umlegen.

Unternehmen, die viel Cash auf dem Balance Sheet haben, können günstige Möglichkeiten nutzen, Wettbewerber zu kaufen oder aggressiv auf Wachstum zu setzen.

Nachfolgend die Übersicht, welche Anlageklassen tendenziell in welcher Marktphase funktionieren:

Wie hoch ist die Eintrittswahrscheinlichkeit der Marktphasen?

Wann genau welche Marktphase kommt, kann niemand mit Sicherheit vorhersagen. Allerdings gibt es ein paar typische Muster, aus denen man lernen kann.

Die aktuelle Marktphase (Stand: August 2022) lässt sich als Phase 3 bzw. zwischen 3 und 4 einordnen. Die Inflation ist auf dem höchsten Stand seit den 1970er Jahren. Die amerikanische Zentralbank hat die sogenannte Fed Funds Rate auf 2,50% angehoben – mehr als 2,25 Prozentpunkte Anstieg verglichen mit dem Zeitpunkt vor einem Jahr. Die europäische Zentralbank hat den Hauptrefinanzierungszins auf 0,50% und den Einlagenzins auf 0,00% angehoben.

In den USA ist die Inflation kürzlich zwar zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder gesunken, allerdings befindet sie sich nach wie vor auf einem hohen Niveau. Nahezu alle Industriestaaten haben eine hohe Inflation, von der sie Staaten zwingend runter müssen. Wir bewegen uns daher erstmal zwischen Phase 3 und Phase 4.

Wenn du dich an die Corona-Krise und die Zeit davor erinnerst, waren wir hier in Phase 2 mit geringen Zinsen und geringer Inflation. Es war zu beobachten, dass die Inflation dann zügig gestiegen ist (Phase 3) und jetzt die Zinsen nach oben mussten und weiter müssen, um die Inflation wieder einzufangen (Phase 4).

Eine mögliche Reihenfolge der Marktphasen vom jetzigen Stand aus gesehen könnte, den gängigen Mustern nach, wie folgt aussehen:

  • Phase 3 – aktuelle Situation
  • Phase 4 – weitere Zinserhöhungen der Zentralbanken
  • Phase 1 – Zinserhöhungen haben Wirkung gezeigt, Inflation gesenkt
  • Phase 2 – Erneuter Zinssenkungen nötig durch neues Event

Je nach erwarteten Phasen kannst du eine leichte Anpassung deines Portfolios zugunsten der aktuellen und kommenden Phase machen.

Beachte, dass die Börse vorwärtsgerichtet ist und Erwartungen eingepreist.

Wichtig sind daher die Informationen über Zukunftserwartungen, an denen du ablesen kannst, wie wahrscheinlich die nächste Phase ist.

Übersicht Marktphasen & Einflussfaktoren

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